Flo Dauner
Am 7. Januar 1977, vier Tage nach seinem sechsten Geburtstag, sitzt ein Bub unter dem schwarzen Flügel seines Vaters, dem Stuttgarter Pianisten Wolfgang Dauner. Flo erlebt in allernächster Nähe ein Konzert, das Geschichte schrieb: Das Album „Live im Schützenhaus” des „United Jazz & Rock Ensemble” wird die meistverkaufte Jazz-LP in Deutschland mit einer mitreißenden Musik, welche die zupackende Kraft des Rock und die elaborierte Freiheit des Jazz miteinander verschmilzt und die europäische Jazzlandschaft für immer verändert. Die Band der Bandleader mit ihrer fünfköpfigen Bläsersektion und Wolfgang Dauner als primus inter pares steht am Beginn einer fulminanten Erfolgsgeschichte. Den Jungen, der aufmerksam lauschend unter dem weit geöffneten Flügel hervorschaut, fasziniert ein Musiker besonders. Es ist der britische Rock-Schlagzeuger Jon Hiseman, der hinter einem riesigen Double-Bass-Drum-Set thront und mit geschmeidig fließendem Punch den Rhythmus des United bestimmt. Wenn Hiseman ein Solo spielt, dauert es manchmal über zehn Minuten, und es wird kein bisschen langweilig. Im Gegenteil, der Applaus der Konzertbesucher entlädt sich danach als einziger Schrei der Begeisterung. „Ich will auch Schlagzeuger werden!”, träumt der kleine Flo unter dem Flügel des Vaters. Die Lautstärke des Konzerts hält ihn keineswegs vom Träumen ab. Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau hätte von diesem Moment als einem „Erweckungserlebnis” gesprochen.
Der kleine Dauner macht, tatkräftig unterstützt vom Herrn Papa, seinen Traum wahr: erster Konzertauftritt mit neun, erste Band mit zwölf (Die Joghurts), erstes Album mit fünfzehn, Schulabbruch in der 11. Klasse am Stuttgarter Wagenburg-Gymnasium („man kann auch ohne Abi Musik studieren”), zwei Semester am Berklee College of Music in Boston, dann 1993 bis heute Drummer der Hip-Hop-Band Die Fantastischen Vier. Er trommelt auch beim „weltbesten Techno- und House-DJ” Paul van Dyk, der Pop-Band De Phazz, für die Sängerinnen Joss Stone, Sarah Brightman, Joy Denalane, bei Voice of Germany und Deutschland sucht den Superstar und vielen anderen. Sein Terminkalender hat wenig unbeschriebene Blätter.
Inzwischen 52 Jahre alt, hat Flo Dauner in zahlreichen Studios bei zahlreichen Alben mitgewirkt, ist Musikproduzent und hat bei zahlreichen Konzerten an seinem Tama-2Box-Drum-Set gesessen. Dort und inbesondere bei Festivals in Roskilde, Rock am Ring oder dem Jazz Open in seiner Heimatstadt hat der sportliche Drummer gespürt, wie der Energiestrom auf der Bühne sich anfühlt, wenn viele Tausende „vor dir in deinem Rhythmus” nicken, hüpfen, kreischen, jubeln.
Thomas Staiberd
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